Kriegsspirale dreht weiter

Es gilt als weitreichendstes Angebot Israels seit Beginn des Gazakriegs, soll aber zugleich explizit kein Ende der Angriffe auf die Küstenenklave beinhalten: Wie das Nachrichtenportal Axios am Dienstag berichtete, soll Tel Aviv der Hamas eine zweimonatige Feuerpause angeboten haben. Im Gegenzug müssten alle 136 verbliebenen Geiseln freigelassen werden. Sofern nicht auch die palästinensischen politischen Häftlinge freikommen und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu weiter die Schaffung eines palästinensischen Staates ablehnt, erscheint eine Einigung allerdings äusserst unwahrscheinlich.

Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die israelische Armee am Dienstagvormittag erneut meldete, sie werde ihre Einsätze in der Gegend von Khan Junis im südlichen Gazastreifen ausweiten. Schon am Montag habe man die Stadt, in der Hunderttausende Menschen Zuflucht gefunden haben, umstellt. Wegen israelischer Blockaden und der Erstürmung von Krankenhäusern konnten Rettungskräfte Verletzte und Tote nicht mehr erreichen. Nach einer Schätzung der US-Geheimdienste, über die das Wall Street Journal am Sonntag berichtete, sind seit Anfang Oktober höchstens 20 bis 30 Prozent der Hamas-Kämpfer getötet worden. Israel sei damit weit von seinem deklarierten Kriegsziel, die Hamas zu zerstören, entfernt.

Wie wenig geschwächt die Hamas ist, zeigte auch die Tötung von 21 Soldaten bei der Explosion eines Gebäudes im Gazastreifen am Montag. Noch nie seit Beginn der Offensive waren so viele Soldaten an einem Tag ums Leben gekommen. Ursächlich für die Explosion war nach Angaben des Militärs der Beschuss eines Panzers durch palästinensische Kämpfer. Netanjahu sprach am Dienstag von einem »Desaster« und kündigte erneut an, man werde »bis zum absoluten Sieg« weiterkämpfen. Der Widerstand in der israelischen Gesellschaft wächst allerdings: Am Montag waren Angehörige von in den Gazastreifen entführten Geiseln ins israelische Parlament eingedrungen und hatten grössere Anstrengungen zu deren Freilassung gefordert.

Auch regional dreht sich die Eskalationsspirale weiter: In der Nacht zu Dienstag haben die USA und Grossbritannien, unterstützt von weiteren Verbündeten, zum zweiten Mal gemeinsame Luftschläge gegen den Jemen verübt. Seit dem ersten Angriff vom 12. Januar griff das US-Militär im Alleingang weitere drei Male an – ohne allerdings den Beschuss von Schiffen mit Israel-Bezug und inzwischen auch von britischen und US-Schiffen durch die Ansarollah stoppen zu können. Am Montag einigten sich die EU-Staaten in Brüssel darauf, ab nächstem Monat eine eigene Militärmission im Roten Meer zu starten. Auch Deutschland will sich mit der Fregatte »Hessen«, die unter anderem mit Flugabwehrraketen ausgestattet ist, beteiligen. Dem müsste allerdings noch der Bundestag zustimmen. Eine direkte Beteiligung der EU-Mission an Angriffen auf den Jemen ist offiziell nicht geplant.

Deutschlands grösste Containerreederei Hapag-Lloyd bot ihren Kunden gleichentags einen Landtransit über Saudi-Arabien an. Die grössten westlichen Reedereien senden ihre Frachter derzeit wegen der Angriffe der Ansarollah um das Kap der Guten Hoffnung herum, was bis zu drei Wochen länger dauert. Es kommt ausserdem zu deutlich höheren Transportkosten. Die Strecke durch die saudi-arabische Wüste ist allerdings rund 2.000 Kilometer lang und hat den Nachteil, dass die Waren mehrfach umgeladen werden müssen.

Quelle: junge Welt