«NATO will Ukrainekrieg verlängern»

Ende Juni findet in Madrid der erste NATO-Gipfel nach Beginn des Ukrainekrieges statt. Auf dem Programm steht unter anderem die Ausweitung der NATO auf Schweden und Finnland, der Ausbau der NATO-Streitkräfte und die Spannungen mit Russland und China. Der Weltfriedensrat (WPC) hat zu Protesten gegen den NATO-Gipfel aufgerufen. Ein Gespräch mit Iraklis Tsavdaridis, dem Exekutivsekretär des Weltfriedensrats.

Am 29. und 30. Juni steht ein weiterer NATO-Gipfel bevor. Dieser ist ziemlich wichtig, denn es ist der erste nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine. Natürlich wird die Haltung der NATO zu diesem Krieg das Hauptthema sein. Ein weiteres Thema, das eng mit diesem Krieg zusammenhängt, ist die Ausweitung der NATO auf Skandinavien, insbesondere Schweden und Finnland. Wie werden diese Themen Ihrer Meinung nach bewertet werden?
Die NATO war und ist der bewaffnete Flügel des Imperialismus, sie war nie ein Verteidigungsbündnis und ihre Geschichte ist voller Verbrechen, Kriege, Staatsstreiche, Invasionen und Besatzungen. Die NATO dehnt sich nach 1991 stetig in Richtung Osteuropa aus und nutzt den Krieg in der Ukraine, um einen ihrer Hauptgegner, die Russische Föderation, weiter militärisch einzukreisen. In den Reihen der NATO herrscht allgemeines und einhelliges Einvernehmen über ihre Erweiterung und Stärkung. Einige Länder sehen vielleicht die Möglichkeit, mit der NATO zu verhandeln, ohne die Hauptstrategie der NATO in Frage zu stellen. Die NATO ist entschlossen, den Krieg in der Ukraine zu verlängern, unabhängig davon, wer ihn begonnen hat. Das euro-atlantische Bündnis, die gemeinsame Strategie der NATO und der Europäischen Union wird in Madrid ein weiteres Mal ratifiziert werden. All diese Themen sind für die Völker Europas und die friedliebenden Kräfte von grosser Bedeutung.

Die Lage in Europa ist nicht der einzige Punkt auf der Tagesordnung des Gipfels. Laut der NATO-Website soll auch über China gesprochen werden. Was kann das Ergebnis des Gipfels zu diesem Thema sein?
Die NATO hat es mit der Agenda mächtiger Staaten zu tun, die den Interessen grosser Monopole und multinationaler Konzerne dienen, deren Interessen und Ziele darin bestehen, mehr Märkte, mehr Rohstoffe, Einflusssphären und insbesondere heutzutage die Energietransportwege zu erobern. Wir erleben einen erbitterten Wettbewerb und Widersprüche zwischen den USA und ihren Verbündeten auf der einen Seite und China mit seinen Verbündeten auf der anderen Seite. Ebenso gibt es Widersprüche innerhalb jedes Lagers selbst. China als aufstrebende Wirtschaftsmacht verstärkt seine Präsenz auf vielen Kontinenten und macht keinen Hehl daraus, dass es die USA als grösste Volkswirtschaft der Welt ablösen will. Wir sind als WPC gegen die Sanktionen und Einmischungen gegen die VR China unter fadenscheinigen Vorwänden und analysieren die Situation in der Welt auf der Grundlage der Interessen der Völker und ihrer gerechten Anliegen sowie auf der Grundlage des Völkerrechts und der Gründungsprinzipien der UN-Charta.
Unserer Meinung nach müssen die Völker und ihre Bewegungen den Imperialismus als internationales Herrschaftssystem ins Visier nehmen, um die Ursachen für Armut, Kriege und Ausbeutung zu bekämpfen. Eine gerechte Welt des Friedens und der Freundschaft zwischen den Völkern kann nur entstehen, wenn der Imperialismus besiegt wird.

Der Gipfel wird auch die strategische Ausrichtung des Militärbündnisses für die kommende Zeit prägen. Was ist von dieser Ausrichtung zu erwarten?
Die NATO hat seit einigen Jahren ihre Agenda 2030 angekündigt und macht keinen Hehl aus ihren Ambitionen, «Weltpolizist» zu werden. Die NATO hat Partnerschaften in allen Ecken der Welt aufgebaut und nutzt das Netzwerk von Hunderten von ausländischen Militärstützpunkten in der Welt für ihre Pläne. Der Nahe Osten, Lateinamerika, Asien und der Pazifik, Osteuropa und Afrika sind die Einsatzgebiete der US- und EU-Imperialist:innen. Die NATO bereitet sich darauf vor, innerhalb kurzer Zeit in jeder Ecke des Planeten militärisch eingreifen zu können. Die Militärausgaben haben im letzten Jahr weltweit die Grenze von 2 Billionen Dollar überschritten, obwohl nur 5 Prozent dieses Betrags ausreichen würden, um Hunger und heilbare Krankheiten in der Welt zu bekämpfen und zu beseitigen. Alle Regierungen der NATO-Mitgliedsstaaten sind schuldig und mit verantwortlich für die aggressive Politik und Strategie der NATO. Die Völker der Welt können von der NATO und ihrem Gipfel in Madrid nichts Positives erwarten. Deshalb rufen wir alle antiimperialistischen, friedensliebenden Kräfte und Menschen in den NATO-Staaten auf, für den Austritt ihrer Länder aus der NATO und für die Auflösung der NATO im globalen Massstab zu kämpfen.

Der Weltfriedensrat hat sich in den letzten Jahren immer wieder zu den NATO-Gipfeln geäussert. Was wird der Rat dieses Mal für den Gipfel in Madrid tun?
Der WPC hat sich seit seinen Gründungstagen entschieden gegen die NATO ausgesprochen. In den letzten 12 Jahren haben wir eine Kampagne «Ja zum Frieden! Nein zur NATO!» gestartet, mit einer deutlichen und sichtbaren Präsenz bei den verschiedenen Anti-NATO-Protestdemonstrationen an vielen Orten. Unsere diesjährige Präsenz in Madrid und auf der Demonstration am 26. Juni zielt darauf ab, die NATO, die USA und die EU anzuprangern, die in Verbindung mit dem laufenden Krieg in der Ukraine grosse Gefahren für einen allgemeineren Krieg von globalem Ausmass schaffen. Für uns ist es wichtig, auch die Vorgehensweise bestimmter Kräfte in den Friedensorganisationen aufzudecken, die die Komplizenschaft der Europäischen Union und ihre Militarisierung verschweigen, die den Imperialismus und seine Mechanismen nicht sehen wollen oder die sich in ihren Aufrufen nur gegen die USA richten. Deshalb wird die WPC am Sonntag in Madrid hinter ihren Bannern und Fahnen die konsequenten antiimperialistischen und friedensliebenden Kräfte versammeln und dem Fatalismus und der Selbstgefälligkeit mit dem Optimismus trotzen, dass die Völker der Welt die einzig wirkliche «Supermacht» sind und dass der Imperialismus nicht unbesiegbar ist!

Quelle: Weltfriedensrat – Übersetzung: SFB