
Peter Mertens, Generalsekretär der linken Partei der Arbeit Belgiens (PVDA-PTB), hielt im Juni eine eindrückliche Rede auf dem Internationalen Friedensforum in Brüssel, welches am Vorabend des NATO-Gipfels in Den Haag durchgeführt wurde. In acht prägnanten Thesen untersuchte er die Rolle der NATO bei der weltweiten Militarisierung und rief Europa dazu auf, sich für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Souveränität statt für Krieg und Unterordnung unter die US-Strategie einzusetzen.
1. Wer sich weigert, die USA und Israel zu verurteilen, hat jegliche Glaubwürdigkeit verloren.
Im März 2003 begann eine sogenannte Koalition der Willigen, angeführt von den Vereinigten Staaten, einen illegalen Krieg gegen den Irak. Es gab keine Zustimmung des UN-Sicherheitsrates, und der Krieg wurde mit drei Hauptargumenten gerechtfertigt: dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitze, dass er eine Bedrohung für die globale Sicherheit darstelle und dass ein Regimewechsel für alle von Vorteil wäre.
Keines dieser drei Argumente stellte sich als wahr heraus. Es gab keine Massenvernichtungswaffen, keine wirkliche Bedrohung, und nach der Invasion wurde der Irak zu einem Nährboden für Gewalt. Die Welt wurde nicht sicherer, sondern gefährlicher. Was heute in Bezug auf den Iran passiert, scheint eine Kopie desselben Vorgehens zu sein. Wieder werden dieselben drei Argumente genutzt: dass der Iran kurz davor stehe, Atomwaffen zu erlangen, dass er eine Bedrohung für die globale Sicherheit darstelle und dass ein neues, von Washington unterstütztes Marionettenregime für alle besser wäre.
Dies ist eine Pentagon-Strategie aus dem Lehrbuch. Erneut gibt es keine Zustimmung des UN-Sicherheitsrates. Das bedeutet, die Handlungen der Vereinigten Staaten und Israels verstossen gegen das Völkerrecht und stellen nach internationalem Recht einen illegalen Angriffskrieg dar. Die Nuklearanlagen des Iran sind legal und werden weiterhin von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) überwacht. Der Iran trat der IAEA 1958, kurz nach deren Gründung, bei und hält sich seither an deren Richtlinien für die friedliche Nutzung der Kernenergie. Trotz des starken Drucks aus Washington, hat die IAEA nie festgestellt, dass der Iran die Regeln verletzt oder Atomwaffen besitzt.
Mit dem Angriff auf den Iran sandte Trump eine Botschaft an die Welt: dass es akzeptabel sei, einen illegalen Angriffskrieg zu beginnen, und dass es akzeptabel sei, Atomanlagen zu bombardieren. Jedes Mitglied der Vereinten Nationen, das diese ungeheuerlichen und illegalen Handlungen nicht scharf verurteilt, stellt Trump einen Blankoscheck aus, um weiterzumachen. Umgekehrt ist Israel die einzige Atommacht in der Region, es ist Israel, das den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat und keine Inspektionen internationaler Gremien zulässt. Es ist Israel, das Völkermord an der Bevölkerung Gazas begeht, den Libanon und den Jemen bombardiert und Teile Syriens besetzt. Und dennoch gibt es weiterhin keine Sanktionen gegen Israel. Am Vorabend des NATO-Gipfels ist eines klar: Die USA und Israel bringen nur noch mehr Krieg und Instabilität. Wer sich weigert, die USA und Israel zu verurteilen, hat jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Es ist an der Zeit, dass Europa diesem Wahnsinn ein Nein entgegensetzt, anstatt Trump wie ein Schosshund hinterherzulaufen.
2. Das 5%-Ziel ist das Ziel von Trump.
Seit Anfang dieses Jahres reden plötzlich alle von 5 Prozent. 5 Prozent Ausgaben für die NATO. Das ist inzwischen eine heilige Kuh – aber woher kommt diese Kuh? Diese heilige Kuh kommt aus Washington. Es war Trump selbst, der diese Zahl in die Welt gesetzt hat und sie allen NATO-Mitgliedsstaaten aufzwingen will. Und plötzlich plappert die ganze Welt ihm nach: es muss und soll 5 Prozent sein. Die Frage ist: warum will Trump das? Erstens: weil das ganze Geld hauptsächlich in den Kauf US-amerikanischer Waffen fliesst. Zweitens, und grundlegender: Trump will, dass Europa zahlt, damit sich die USA auf China konzentrieren können. Trumps bester Nachplapperer ist Mark Rutte, jetzt NATO-Generalsekretär: «Wir geben mehr aus, damit die USA sich zum Beispiel dem Indo-Pazifik zuwenden können.»
«Zum Beispiel», sagt Mark Rutte. Nein, nicht «zum Beispiel», Herr Rutte. Das ist kein «zum Beispiel», das ist der Kern der Sache. Die Europäer sollen Milliarden extra zahlen, damit die USA sich auf ihre eigene geopolitische Agenda gegen China im Indo-Pazifik konzentrieren können. Das bedeutet: die militärische Einkreisung Chinas. Die NATO ist ein Instrument der US-Machtpolitik – und wir dürfen die Rechnung bezahlen.
3. Trump spielt Europa und Asien gegeneinander aus.
Und es geht noch weiter. Zuerst überzeugt Trump Europa, 5 Prozent des BIP für Waffen auszugeben. Dann sagt Amerika zu den Ländern in Asien: Schaut, Europa macht es – jetzt ihr auch! Der ehemalige stellvertretende US-Verteidigungsminister Elbridge Colby schrieb auf X: «Asiatische Verbündete müssen sich Europa zum Vorbild nehmen. Sogar Deutschland gibt jetzt 5% für Verteidigung aus.» Also: Liebe Australier, Neuseeländer, Japaner und Filipinos: Macht es wie Europa und gebt ebenfalls 5% aus. Und wo wird man all diese Waffen kaufen? Ach ja, hauptsächlich in der Rüstungsindustrie der USA. Wir werden schlicht betrogen, während wir zuschauen. Europa wird gegen Asien ausgespielt. Und umgekehrt. In der Zwischenzeit gewinnt die US-Rüstungsindustrie auf allen Seiten.
4. Das NATO-Ziel ist keine Verpflichtung.
Das 2%- oder 5%-Ziel ist absolut nicht bindend. Das sogenannte NATO-Ziel hat keinerlei rechtlichen oder vertraglichen Charakter. Sie ist nicht bindend. Man kann diese Norm rechtlich nicht durchsetzen. Das Ziel ist eine politische Vereinbarung, keine rechtliche Verpflichtung. Die Mitgliedsstaaten bleiben souverän und entscheiden ihre eigene Verteidigungspolitik. Beispiele: Dänemark, Norwegen und Spanien lehnten Atomwaffen auf ihrem Territorium ab. Frankreich, Deutschland und Belgien widersetzten sich einer NATO-Beteiligung am zweiten Golfkrieg gegen den Irak. Die Türkei verweigerte US-Truppen den Zugang zu ihrem Territorium. Kurz gesagt: Selbst innerhalb der NATO können Länder ihren eigenen Kurs verfolgen – wenn sie es wollen. Spanien hat bereits erklärt, dass es das 5%-Ziel nicht akzeptieren wird. Warum also sollte Belgien diese Norm akzeptieren? Warum sollte eine Regierung in den Niederlanden etc. diese Norm akzeptieren?
5. Das Trump-Ziel bedroht unsere soziale Sicherheit.
«Es gibt kein Geld.» Diesen Satz haben alle seit Jahrzehnten gehört. Kein Geld für Investitionen in einen guten ÖV, kein Geld für Kinderbetreuung oder bezahlbaren Wohnraum, kein Geld für eine anständige Rente, kein Geld… Und nun werden plötzlich Milliarden von Euro für Aufrüstung und Krieg gefunden. Was für eine Lüge. Allein um 3,5 Prozent zu erreichen, müsste Belgien jedes Jahr zusätzliche 10 Milliarden Euro aufbringen. Das ist unglaublich. Das 5%-Ziel ist ein Angriff auf unsere soziale Sicherheit und unsere sozialen Errungenschaften – und wenn wir ihre Zerstörung zulassen, hat Trump gewonnen. Unterdessen haben die Rüstungsunternehmen längst gewonnen und machen phänomenale Profite. Sie bewerben Investitionen in die Rüstungsindustrie sogar als «die beste Investition aller Zeiten», wie sie sagen. Ein System, in dem Rüstungsinvestoren Kasse machen, während Rentner kaum über die Runden kommen, ist dekadent. Ein System, das mehr Geld für Panzer als für Schulen ausgibt, ist dekadent. Mehr Geld für Waffen: nicht in unserem Namen!
6. Die NATO gibt schon jetzt irrsinnige Summen aus.
Für die Kriegstreiber ist es nie genug. Sie tun so, als seien die NATO-Länder arme Schlucker, die kaum etwas für Verteidigung ausgeben. Das Gegenteil ist wahr. Die Zahlen sind irrsinnig. Wirklich irrsinnig. Im Jahr 2024 gaben die 32 NATO-Länder zusammen 1,275 Billionen Dollar für Aufrüstung aus. Wenn die 5%-Norm umgesetzt wird, steigt dieser Betrag auf 2,758 Billionen Dollar pro Jahr – mehr als das Doppelte! Zum Vergleich: Das ist mehr als alle anderen Länder der Welt zusammen, einschliesslich China, Russland, Indien, Israel, Ukraine und Saudi-Arabien. Heute geben die NATO-Staaten das 12-Fache von Russland und das 4,5-Fache von China aus. Bei 5 Prozent wären es sogar das 20-Fache. Das ist keine Sicherheit. Das ist ein absurder Rüstungswettlauf, der unsere sozialen Errungenschaften zerstören und die Welt noch näher an einen grossen Krieg bringen wird.
7. Die NATO ist eine Kriegsmaschine.
Offiziell behauptet die NATO, für Frieden zu stehen. Aber hört, was Mark Rutte kürzlich sagte: «Die NATO ist das mächtigste Militärbündnis in der Geschichte der Menschheit. Mächtiger als das Römische Reich. Und mächtiger als das Reich Napoleons.» Dieser Vergleich sagt alles. Das Römische Reich war kein Verteidigungsbündnis. Es war ein Imperium, das auf Eroberung und Unterdrückung beruhte. Genauso wie Napoleon, der sich selbst zum Kaiser krönte und Europa unter seinen Einfluss brachte. Wenn die NATO mit 1,275 Billionen Dollar tatsächlich mächtiger ist als das Römische Reich, warum müssen wir dann immer noch mehr ausgeben? In Wahrheit sagt Rutte es fast selbst – denn die NATO ist überhaupt kein Verteidigungsbündnis, sondern ein Instrument zur Weltherrschaft, genau wie das Römische Reich. Die NATO ist eine Kriegsmaschine. Wir schulden ihr nichts. Keinen einzigen Cent für ihre Kriege!
8. Den Moment ergreifen: an unsere kollektive Kraft glauben!
Sie wollen uns mit Angst und Krieg zermürben – und mit allen möglichen technischen Details darüber, wie tief die neuen US-Bomben unter der Erde explodieren können. Sie wollen uns blind machen für die Gegenbewegung und unsere eigene kollektive Stärke. Wir sind die Kräfte des Friedens. Wir sind die Menschen, die mit 150 000 in Den Haag und 110 000 in Brüssel die rote Linie gegen Völkermord gezogen haben. Wir sind die 6 Millionen US-Amerikaner, die an den Protesten gegen Trump teilgenommen haben: «Keine Throne, keine Kronen, keine Könige.» Wir sind die Hafenarbeiter von Marseille, die sich weigern, Kriegsschiffe nach Israel zu beladen. Wir sind die Palästinenser auf der ganzen Welt. Liebe Freundinnen und Freunde: Ihre Weltordnung führt uns in den Abgrund. Jeder spürt, dass es nicht richtig ist, uns bis an die Zähne zu bewaffnen, während unsere Züge nicht fahren, unsere Renten gekürzt werden und unseren Krankenhäusern das Personal fehlt. Wahrer politischer Mut bedeutet nicht, Trump wie ein Schosshund hinterherzulaufen. Wahrer politischer Mut bedeutet, eine eigene Vision zu entwickeln: Eine Vision, die in unsere Industrie investiert, die in Technologie und Wissenschaft investiert, in die ökologische Transformation. Eine Vision, die in Frieden investiert. Ihre Weltordnung ist die Ordnung der Vergangenheit. Die Friedensbewegung ist die Kraft der Zukunft.
Glaubt an eure eigene Stärke. Glaubt an unsere kollektive Kraft.
Übersetzung: UW.