«Wir aber wollen Kriege verhindern»

Der Druck auf die Friedensorganisationen wächst, eine Demilitarisierung der Politik bleibt notwendig. Ein Gespräch mit Willi van Ooyen über die Ostermärsche in Deutschland.

Interview: Gitta Düperthal

«Kriege beenden – den Frieden gewinnen» war einer der Slogans der bundesweiten Friedensmärsche über die Ostertage. Sie sprachen dazu am Montag gegenüber dieser Zeitung von «an Umfang und Schärfe erheblich aggressiveren Diffamierungen», trotz derer eine stärkere Mobilisierung gelungen sei. Was meinen Sie damit?
Schon seit den 1960er und 70er Jahren wird die Friedensbewegung immer wieder bezichtigt, für die andere Seite zu arbeiten, wenn sie in die Kriegs- und Aufrüstungspropaganda nicht mit einstimmt. Wir sind und waren immer auf der Gegenseite der Militaristen. Mit dem ­Ukraine-Krieg ist diese Auseinandersetzung schärfer geworden, auch mit persönlichen Angriffen auf Aktive in der Friedensbewegung. Die noch harmlose Variante ist, dass uns Naivität vorgeworfen wird. Uns wird gar unterstellt, für eine militärische Unterstützung Russlands zu sein.

Was entgegnen Sie, wenn etwa FDP- oder CDU-Politiker genau jenen Vorwurf erheben und behaupten, die Aktionen hätten in Zeiten des Ukraine-Krieges «mindestens etwas Naives»?
Die sagen das, weil sie einen Krieg gewinnen und einen «Siegfrieden» herstellen wollen. Wir aber wollen Kriege verhindern und ein Miteinander der Kooperation, der Entspannung, der vertrauensbildenden Massnahmen organisieren. Das ist ein komplett anderes Konzept als auf Krieg als Mittel der Politik zu setzen.

Systematisch wird neuerdings der Vorwurf in Umlauf gebracht, Demonstrationen der Friedensbewegung seien «nach rechts offen». Gab es nach Ihrer Kenntnis entsprechende Vorkommnisse bei den diesjährigen Ostermärschen?
Mir wurden während der Demos zu Ostern keine Versuche solcher Anschlüsse von Rechten gemeldet – falls es welche gab, dann höchstens unerkannt. Wir nehmen ja keine Gesinnungsprüfung vor. Mir sind auch keine Medienberichte bekannt, die das im nachhinein behauptet hätten. Alle Aufrufe bundesweit waren deutlich, was die friedliche Perspektive angeht. «Die Waffen nieder» war eine Parole. Bei den Reden auf Kundgebungen dominierte das Bekenntnis zum Waffenstillstand und zu Friedensverhandlungen. Nirgendwo trat etwa jemand auf, der behauptete, für weitere militärische Aufrüstung zu sein. Die Kundgebungen waren eindeutig gegen den Rechtstrend von SPD, Grünen, FDP, CDU und auch gegen die AfD gerichtet, die alle die Militarisierung der Gesellschaft befürworten. Dagegen hat die Friedensbewegung ein Zeichen gesetzt.

Auch der DGB und die Linkspartei haben mancherorts Ostermarschorganisatoren vorgeworfen, diese relativierten die Rolle Russlands und grenzten sich nicht ausreichend nach rechts ab.
Massstab ist wohl, sich von sozialdemokratischen Positionen nicht entfernen zu wollen. Gewerkschaften war es somit teilweise erschwert, ihre zentralen Forderungen nach Abrüstung durchzuhalten: dass man nicht das Wettrüsten weiter schürt und Rüstungsexporte weiter ankurbelt. Die Friedensbewegung wird weiterhin mit ihren überzeugenden Argumenten gegen schleichende Akzeptanz weiterer Militarisierung angehen.

Zur Frage, ob die Waffenlieferungen der BRD in die Ukraine gestoppt werden sollen, sei man sich in der Friedensbewegung uneinig, war Medienberichten zu entnehmen. Ist das so?
Wenn einzelne in ihrer Verzweiflung über den Krieg die Militarisierung zur Selbstverteidigung befürworten, müssen sie bedenken, dass sie so am sich ausweitenden Krieg, am Sterben von Menschen beteiligt sind. Der Grossteil der Friedensbewegung lehnt das ab.

Häufiges Argument der Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine ist: Ohne diese werde Russland den Krieg gewinnen.
Es handelt sich nicht nur um einen Krieg zwischen Russland und der Ukraine, sondern um einen Stellvertreterkrieg mit grosser Reichweite. Das Kriegsgeschehen muss beendet werden, um Leben in der Ukraine zu retten. Wir müssen andere Staaten überzeugen, dass Krieg keine politischen Probleme löst. Die Golfkriege, die Kriege in Jugoslawien, Afghanistan und Irak haben nur zu grösserem Elend geführt – und eben nicht dazu, demokratische und soziale Probleme zu lösen. Neutralität und Demilitarisierung der Politik sind notwendig. Die Welt ist im Umbruch. Es braucht eine neue friedliche Konstellation. Das Befürworten militärischer Optionen ist nur Angstmache von Staaten, die selbst Krieg führen wollen, statt eine Verhandlungslösung anzustreben.

Willi van Ooyen ist Sprecher der Informationsstelle Ostermarsch in Frankfurt am Main

Quelle: junge Welt